Ja, was wollten Sie eigentlich früher einmal werden? Und mal ganz salopp gefragt: was ist draus geworden?
Unsere ersten Gedanken an das, was wir später einmal werden wollen, waren meist geprägt von Figuren, Vorbildern oder Fantasien, in denen wir uns gerne im Geschehen mit uns als Akteuren sehen. Mittlerweile gibt es schon für die ganz Kleinen Bücher über die Berufswahl. Und da kommt sie schon um die Ecke: die Sozialisation, die Gesellschaft und die Menschen, die wohl gerne auch etwas bestimmtes in uns sehen, aus und „machen“ möchten. Wir selbst kommen im Laufe des Erwachsenwerdens unseren eigenen Werten und sinngeladenen Vorstellungen von einer befriedigenden Arbeit näher (wer bin ich und was ist mir im Berufsleben wichtig?). Aber es kommen auch Bedingungen zum Tragen, soziale Hindernisse für die Berufswahl, Möglichkeiten (du kannst alles werden, wenn du willst) und Grenzen (in deinem Lebenskontext ist eben nur dieses/jenes möglich) bilden den Raum, innerhalb dessen berufliche Entscheidungen getroffen werden.
Die Laufbahnpsychologie hat einiges zu bieten, um sich mit der Frage nach der Berufswahl auseinanderzusetzen. Andreas Hirschi und Franziska Baumeler haben dazu im Jahr 2020 den Entwicklungsstand der gängigen Berufswahltheorien dargelegt und hierin finden sich wirklich interessante und sehr hilfreiche Impulse zur Reflexion.
Denn Sie als Führungskräfte in einem pflegerischen Unternehmen sind berufliche Persönlichkeiten, die eine Verbindung von Persönlichkeit und beruflichen Interessen leben. Sie sind in Beziehung mit Ihren Mitarbeiter*innen, mit Bewohner*innen und können umso weniger sich selbst als Persönlichkeit „außen vor“ lassen. Wer also bin ich, wer oder was wollte ich mal werden und jetzt: wer bin ich im Ganzen heute, in der Pflege als Führungskraft und Mensch?
Irgendwann sind Sie in diese Rolle der Pflege und dann der Führungskraft gekommen:
- Hatte das auch mit Zufall oder zufälligen Begebenheiten zu tun? Und wie gehen Sie mit solchen Zufällen im Leben um? Sehen Sie die Herausforderung und bekommen Lust, Neues auszuprobieren? Fühlen Sie sich darin sicher? Wie gehen Sie mit Unsicherheiten bei neuen beruflichen Herausforderungen um? Brauchen Sie Unterstützung? Von wem? Was passiert, wenn Sie allein gelassen werden oder sich so fühlen? Die Happenstance Learning Theorie von Krumboltz und Kolleg*innen beschreibt das Phänomen der Zufälle in Laufbahnentscheidungen und stellt kluge Aspekte der Nutzung von Zufällen in Aussicht! (Krumboltz J.D. (2009), dargelegt in Hirschi, A.&Baumeler, F. (2020). Berufswahltheorien-Entwicklung und Stand der Diskussion. In Brüggemann, T.&Rahn, S. (Hrsg.) Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch (S. 31-42). Münster: Waxmann Verlag).
- Oder/ und machen Sie es wie der griechische Gott Proteus, der sich stets neu erfinden und seine Gestalt nach Belieben verändern konnte? Haben Sie sich selbst überlegt, unabhängig von der der Einrichtung, in der Sie aktuell arbeiten, Führungsaufgaben zu übernehmen und eine Führungspersönlichkeit zu werden? Ganz im Sinne der „Selbstentfaltung“? Hall, D.T. (2004, dargelegt in ebd.) entwickelte das Konzept der proteischen Laufbahn und es beschreibt eine berufliche Entwicklung, in der Menschen die Verantwortung für Ihre eigene Karriere übernehmen auf der Basis eigener, persönlicher Werte und Ziele. Nicht ein Unternehmen entscheidet mehr über die Karriere und übernimmt den persönlichen Werdegang, sondern Menschen selbst.
- Oder/ und war es (auch) so, dass die Sinnhaftigkeit, in der Pflege zu arbeiten, für Sie stimmig war und Sie überzeugt sind, dass Sie selbst als aktiv gestaltende Persönlichkeit ihre subjektive Idee in ihre berufliche Persönlichkeit integrieren (wo und wie kann ich meine Werte beruflich verwirklichen)? Mit anderen Worten: setzen Sie sich mit sinnstiftender Führungsarbeit auch für sich selbst ein, weil Sie genau das tun, was Sie wichtig finden (Kongruenz)? Tun Sie sich selbst damit einfach auch etwas Gutes? Dann gibt die konstruktivistische Laufbahntheorie Aufschluss (Savickas, M.L. (2013), dargelegt in ebd.).
In Zeiten, in denen wir berufliche Entscheidung treffen und dann auch mit diesen „leben müssen“, sind solche Reflexionen richtig und wichtig.
Solange wir die Passung zwischen unserer Persönlichkeit (Werten) und den beruflichen Aufgaben, die wir haben, verfolgen können – ist gut. Sollten die beruflichen Anforderung nicht (mehr) mit uns übereinstimmen, müssen wir uns auf Gestaltungsfragen einlassen und Lösungen finden.
Wie also möchte ich in der Führung von Pflegekräften wirken? Was ist mir wichtig? Wofür bin ich bereit, neue und herausfordernde Wege zu gehen? Was sollte ich lassen, wovon darf es mehr sein?
Tu ich das, was ich gut kann, brauche ich Unterstützung? Tu ich das, was zu mir passt? Welche Idee von mir habe ich in der beruflichen Zukunft?
By the way: ich selbst wollte früher einmal Schriftstellerin werden. Das Wichtige daran war mir, dass ich einen großen Tisch habe, auf dem Ordnung herrscht und an dem ich Ruhe habe, meine Gedanken zu sortieren. Wenn Sie jetzt mein Büro sehen würden…😊
Fragen Sie doch mal jemanden, was er/ sie früher werden wollte… es kommen wirklich interessante Dinge zu Tage!
Bis zum nächsten Mal, herzlich,
Katrin Ratz